Haßlochs Bürgermeister Meyer hat schon vor Wochen an Ministerin Katharina Binz geschrieben und um Unterstützung hinsichtlich der Beschaffung der Unterkünfte für Flüchtlinge gebeten. Als auch nach mehrmaligem Nachfragen keine Antwort kam, hat er folgenden offenen Brief geschrieben:
Sehr geehrte Frau Ministerin Binz,
bereits vor einigen Wochen hatte ich mich in einem Schreiben an Sie gewandt und Sie um Unterstützung gebeten, wie dies von Ihnen im Rahmen eines Wortbeitrags am 2. März (Protokoll der 40. Plenarsitzung; S. 144) in einer Landtagsplenarsitzung für die Kommunen angeboten wurde. Bislang hat mich, trotz mehrmaliger Nachfrage in Ihrem Büro, keine Antwort Ihrerseits erreicht. Ich bedauere das sehr.
Ich muss daher davon ausgehen, dass – wenn über sechs Wochen die Möglichkeit zu einer Beantwortung seitens Ihres Hauses nicht besteht – mein Hilfeersuchen nicht priorisiert bearbeitet wird. Bei allem Verständnis für die Verpflichtungen und Notwendigkeiten, die diese verantwortungsvolle Aufgabe mit sich bringt, stelle ich nunmehr fest, dass Ihrem Hilfsangebot keine konkreten Taten folgen.
Die Situation in der verbandsfreien Gemeinde Haßloch, für die ich als Bürgermeister Verantwortung trage, ist beunruhigend: Wegen einer massiven Verknappung der Wohnungskapazitäten erwägt der Haßlocher Gemeinderat nunmehr die Beschaffung von Systembauelementen zur Deckung der durch den Königssteiner Schlüssel prognostizierten Anzahl unterzubringender Flüchtlinge, die im Laufe der nächsten Monate auf unsere Kommune zugeteilt werden sollen. Die zuständige Kreisverwaltung Bad Dürkheim erweist sich hierbei als verlässlicher Gesprächspartner, der uns bislang nach Kräften bei unseren Bemühungen unterstützt und auf unsere Möglichkeiten Rücksicht nimmt.
Unsere Bauverwaltung muss aufgrund dieser Entwicklungen für die Infrastruktur wichtige Projekte wie den Neubau zweier neuer Kindertagesstätten, bedingt u.a. durch die Anforderungen der neuen Kita-Gesetzgebung, zurückstellen und sich vorrangig mit der Erstellung und Planung von Standorten für Unterkünfte in Systembauweise befassen. Alternativ wurde die Schließung einer kommunalen Schulturnhalle erwogen (und wieder verworfen), weil dies bei den ohnehin durch die COVID-19-Pandemie benachteiligten Grundschülern zum Ausfall des Schulsports geführt hätte. Beides ist kontraproduktiv und erhöht das Unverständnis in der Bevölkerung für das politische Handeln der Regierung in der Flüchtlingsfrage.
Die finanziellen Mittel, die das Land den Kommunen zur Bewältigung dieser Aufgaben zur Verfügung bzw. in Aussicht stellt, reichen bei weitem nicht aus um die notwendigen Investitionen zu tätigen.
Aus der Bevölkerung erreichen mich im Rahmen meiner Bürgergespräche und über den Gemeinderat vermehrt Anfragen, deren Grundlage das Unverständnis über die unklare, aus der Sicht vieler Bürger zu inkonsequente Rückführungspraxis des Landes Rheinland-Pfalz im Falle ausreisepflichtiger Asylbewerber ist. Im Gemeinderat wird dieser Umstand durch Fraktionen genutzt um auch die Kommunen für die bestehende Situation verantwortlich zu machen und den Eindruck zu vermitteln, man handle vor Ort nicht: Ein unrichtiger, aber folgerichtiger Gedankengang, denn durch die gesetzlichen Vorgaben sind den Kommunen vor Ort oftmals die Hände gebunden, beispielsweise bei der Notwendigkeit einer europaweiten Ausschreibung und einer Baugenehmigung für die Errichtung von Unterkünften in Systembauweise, die eine Vorlaufzeit von nahezu einem Jahr in Anspruch nehmen. Beim Bürger entsteht der Eindruck, die politisch Verantwortlichen sähen tatenlos zu. Meine Ausführungen hierzu sind beispielhaft und könnten detailliert ergänzt und fortgeführt werden.
Ich möchte Sie daher dringend bitten sich des Themas anzunehmen und stärker als bisher die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Kommunen in den Blick zu nehmen. Bitte setzen Sie sich zudem für die Überprüfung der gesetzlichen Regelungen, u.a. hinsichtlich der Verpflichtung zur europaweiten Ausschreibung bei Unterkunftsbeschaffungen, ein.
Ich erlaube mir dieses Schreiben an Sie der Ministerpräsidentin sowie der Kreisverwaltung Bad Dürkheim (Landrat und Dezernent), den Vorsitzenden der im Landtag vertretenen Fraktionen, den heimischen Landtagsabgeordneten sowie der Presse zu übermitteln.
Mit freundlichen Grüßen
Tobias Meyer
Bürgermeister